"Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen." Johann Wolfgang von Goethe


Prypjat in der Sperrzone von Tschernobyl 2018

Am 26. April 1986 ereignete sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl.  Bei einem simulierten Stromausfall führten schwere Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg und somit zum GAU. 2018 besuchte ich die Sperrzone wieder. Wesentlicher Unterschied zu meinem ersten Besuch sieben Jahre zuvor ist, dass sich dieses Gebiet zu einem Disney Land entwickelt hat. Es ist ein Art Zeitreise, wenn man die Geisterstadt Prypjat betritt. Die Zeit blieb hier nicht nur kalendarisch 1986 stehen, sondern auch in der Zeit des Kommunismus. Dieses schreckliche Atomunglück gilt als „Anfang des Endes der Sowjetunion“. Faszination findet sich in jedem Winkel dieser Stadt. Sei es, dass sich die Natur das Gebiet wieder zurückholt. Bäume bohren sich durch Balkone. Oder das Spital mit hinterlassenen Einrichtungsgegenständen. Die unzähligen Schutzmasken, die in der Schule herum liegen genauso wie die Schulbücher in den Klassenzimmern. Bei dieser Zeitreise möchte man die Wände fragen „Hey, was ist hier in den letzten Tagen passiert?“. Das Stadion von Prypjat, in dem mehr Bäumen stehen als im Wörthersee Stadion in Klagenfurt, ist als Sportanlage gar nicht mehr erkennbar. Dahinter befindet sich der Platz mit dem Riesenrad und dem Autodrom. Zum 1. Mai 1986 hätte diese Anlage in Betrieb gehen sollen. Es kam nie dazu. Das Schwimmbad, das einigen aus Computerspielen bekannt ist, war nach dem Unglück noch ca. 10 Jahre für die Atomkraftarbeiter geöffnet. Außerhalb der Stadt befindet sich das Abwehrradar Duga. Obwohl das Radar nur wenige Kilometer von der Stadt entfernt ist und hundert Meter hoch ist, konnte es von der Stadt aus nicht gesehen werden. Diese Anlage wurde geheim gehalten. Von der Fernstraße führte eine Seitenstraße zu dieser Anlange. Direkt bei der Abzweigung befindet sich eine Bushaltestelle, die mit einem Bärenmosaik geschmückt ist. Man hat der Bevölkerung versichert, dass hier Kinder aussteigen, damit sie ein Ferienlager hier im Wald erreichen könnten. Ein Kind stieg dort nie aus. Ging man den Weg, wurde man beim ersten Mal freundlichen darauf hingewiesen, dass es hier nichts zu sehen gibt. Beim zweiten Mal wurde man Effektiv darauf hingewiesen. Heute ist das nicht mehr so gefährlich und man erreicht nach einigen hunderten Metern Wald diese Anlage, die Raketenangriffe bis auf 10.000 km aufspüren „hätten können sollen tun“. Nach dem Unglück startete schnell der Bau von der ersten Schutzhülle über den Block4, der im November 1986 fertig gestellt war. Keine 2 Jahre später war klar, dass dieser Sarkophag nicht lange halten kann. Als ich im Jahr 2011 das erste Mal vor dem Unglücksreaktor stand, war von einer Baustelle für die neue Schutzhülle nur ein Sandhaufen zu sehen. Erst im November 2016 wurde die neue Schutzhülle, anfangs auch Arche genannt, über den Sarkophag gebracht. Das Besondere an dieser Arche ist nicht nur die Größe (über 100 Meter hoch, über 250 Meter breit und über 160 Meter lang) sondern dass es sich hier zugleich um das größte bewegliche Gebäude der Welt handelt. Die Arche wurde neben dem Sarkophag gebaut und dann auf Schienen in einer Zeit von über 2 Wochen über die alte Schutzhülle transportiert. Die Arche soll über hunderte Jahre standhalten.  Die Stadt Prypjat, die 1970 für dieses Atomkraftwerk gebaut wurde hatte fast 50.000 Einwohner und wurde nur 16 Jahre alt. Die Stadt Tschernobyl, die etwas weiter vom Reaktor liegt, war wesentlich kleiner und hatte nach dem Unglück noch Jahrelang fast 1.000 Einwohner. Hier handelte es sich vorallem um Personen, die für das AKW arbeiteten. Erst im Dezember 2000, also über 14 Jahre nach dem GAU, würde das AKW von Tschernobyl, das nach dem Kommunisten Lenin benannt wurde, vom Netz genommen.